Studium

MINT: Frauen und Technik!

Lesedauer: 6 min

Sich verwirklichen, Klischees ausblenden – für Abiturientinnen mit Berufswunsch MINT ist das nicht immer leicht. Drei junge Frauen zeigen, wie es gelingen kann: mit Selbstbewusstsein, Leidenschaft und Talent. Selbst ohne Hilfe der Mathe-Lehrerin.


Wie steht’s um Frauen in MINT-Berufen?
Wie steht’s um Frauen in MINT-Berufen?
Die Antwort lautet sehr gut. Annika (24) studiert „Internationales Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Hochschule Stralsund.
© Christian Barthold/privat
© Christian Barthold/privat
Wie steht’s um Frauen in MINT-Berufen?
Die Antwort lautet sehr gut. Annika (24) studiert „Internationales Wirtschaftsingenieurwesen“ an der Hochschule Stralsund.
Wie steht’s um Frauen in MINT-Berufen?

Den ersten Algorithmus der Welt entwickelte eine Frau: Ada Lovelace gilt als die Pionierin des Programmierens und Mitbegründerin der Informatik. Schon 1843 erkannte sie Anwendungen, die erst 100 Jahre später technisch realisierbar waren. Warum das wichtig ist?

Weil uns noch immer Aussagen begegnen wie: „Frauen können schlechter programmieren als Männer.“ Oder weil es zum Suchbegriff „Frauen und Technik“ bei Google knapp 95 Millionen Ergebnisse gibt. „Männer und Technik“ sind mit 44 Millionen anscheinend nur halb so interessant.

Auch 2021 müssen wir uns also die Fragen stellen: Wie steht’s um Frauen in MINT-Berufen? Und wie beeinflussen Vorbehalte Abiturientinnen bei ihrer Studienwahl?

„Das schaffst du sowieso nicht“

MINT-Studiengänge – aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – sind beliebt. Vier von zehn Studierenden entscheiden sich aktuell dafür. Im Wintersemester 2019/2020 gab es im Studienbereich Mathe/Naturwissenschaften einen Frauenanteil von 49 Prozent, bei den Ingenieurwissenschaften sind es 24 Prozent.

Eine von ihnen ist Annika Döring. Die 24-Jährige studiert an der Hochschule Stralsund „Internationales Wirtschaftsingenieurwesen“ im achten Semester und ist laut eigener Aussage „Vermittlerin zwischen Technik und Wirtschaft“. In ihrem Studienjahrgang lag der Frauenanteil zwischenzeitlich bei 50 Prozent.

Wenn Annika voller Begeisterung über das Hochschul-Projekt „ThaiGer-H2-Racing Team“ spricht, in dem sie an Europas effizientestem Rennwagen-Prototypen aus Carbon mit Wasserstoff-Antrieb baut, zweifelt man keine Sekunde an ihrer Technikkompetenz und ihrem mathematischen Verständnis.

Tipp 1: Sich austauschen

„Such das Gespräch – mit deinen Eltern, Freunden und vor allem mit Studierenden aus dem Fachbereich deiner Wahl. Denn sie kennen die Anforderungen an das Studium am besten, den Alltag, die Prüfungsleistungen. Kontakte knüpfst du zum Beispiel über soziale Netzwerke oder am Tag der offenen Tür.“

Ihre damalige Mathe-Lehrerin war anderer Meinung. „In der zehnten Klasse habe ich überlegt, den Mathe-Leistungskurs zu wählen. Meine Lehrerin sagte zu mir: ‚Das schaffst du sowieso nicht‘“, erinnert sich Annika.

„Das war für mich der Auslöser, Deutsch zu wählen. Heute kann ich sagen, auch im Vergleich zu den Anforderungen, die in den ersten Semestern an uns gestellt wurden: Das hätte ich gut geschafft.“

Klappt besser, als man(n) glaubt

Tatsächlich gibt es eine wissenschaftliche Erklärung für diese Phänomene: die fehlende Zuschreibung technisch-mathematischer Fähigkeiten bei Frauen. Sie müssen ihre Kompetenz – im Gegensatz zu Männern – erst beweisen.

Das zeigt auch das Projekt „TEquality – Technik. Gender. Equality.“ an der Johannes Kepler Universität Linz. Das Forscherteam hat herausgefunden, dass sich Frauen häufig erst ihren „Status als Wissende“ sichern müssen – an der Hochschule, im Freundes- und Bekanntenkreis, später im Job.

Dem stimmt auch die Forschungsreihe „Gender-Effekte. Wie Frauen die Technik von morgen gestalten“ der Uni Bielefeld zu. Darin heißt es, dass Frauen während der Ausbildungs- und Berufszeit sich selbst und ihre Berufswahl häufiger als Männer erklären müssen und höheren Leistungsanforderungen ausgesetzt sind.

MINT-Frauen unserer Zeit

Jeder ist mal verunsichert. Das ist normal und vollkommen ok. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. „Viele Jungs sind selbstbewusster, was ihr Können anbelangt“, sagt Rebekka Görge (25). „Sie probieren Dinge einfach aus. Mädchen wollen sich dagegen erst Wissen aneignen, bevor sie loslegen. Das kostet vielleicht zu Beginn etwas mehr Zeit, führt aber zu einem gleich guten Ergebnis.“

Diese Erfahrung hat Rebekka im „Ada-Lovelace-Projekt“ (du erinnerst dich?) der Uni Koblenz-Landau gemacht. Dort engagiert sie sich als Mentorin und bietet in Schulen unter anderem Programmier-Workshops an, um Mädchen für MINT zu begeistern. „Ich studiere Computervisualistik, einen Informatikstudiengang mit den Schwerpunkten Computergrafik und Bildverarbeitung“, sagt Rebekka. „Programmiersprachen gehören fest zum Stundenplan – von Java über C++ bis Matlab.“

Frauenstudiengänge: Wirklich sinnvoll?

Rebekka möchte mit ihrem Engagement Berührungsängste abbauen: „Vor dem Studium hatte ich das Gefühl, meine Kommilitonen können vieles schon und ich schaff das nicht. Zu Unrecht! Ich möchte junge Frauen dazu ermutigen, selbstbewusster zu sein. Denn sie haben das Wissen, mit den Jungs mitzuhalten. Dafür braucht es nicht unbedingt reine Frauenstudiengänge.“

Davon gibt es deutschlandweit nur wenige, etwa Informatik in Bremen oder Elektrotechnik in Jena. Inhaltlich sind sie genauso anspruchsvoll wie gemischte Angebote. Doch Frauen sind hier nicht allein unter Männern, sondern können frei von Rollenzuschreibungen ihren Zugang zu technischen Themen finden – so die grundlegende Idee dahinter.

Tipp 2: Selbstvertrauen aufbauen

„Als Mentorin weiß ich: Selbstvertrauen ist wichtig. Nutze zum Beispiel MINTAGs in der Schule oder andere Angebote in deiner Nähe, um dir deiner Stärken bewusst zu werden und sie auszubauen. Auch weibliche Vorbilder sind wichtig. Schau dir an, was und wie sie etwas erreicht haben.“

Für die angehende Ingenieurin Annika wäre ein Frauenstudiengang ebenfalls nichts: „Ich fühle mich in gemischten Teams sehr wohl. Im ThaiGer-H2-Racing-Team war ich phasenweise die einzige Frau, habe aber nie einen dummen Spruch gehört. Viel wichtiger als ein Frauenstudiengang sind für mich Angebote, um ein starkes Netzwerk für die berufliche Zukunft aufzubauen“, erzählt Annika.

Sie nutzt dafür das „KarriereStartMentoring-Programm“ ihrer Hochschule in Stralsund: Das Frauen-Förderangebot bringt Studentinnen mit einer Mentorin aus dem Bereich zusammen, in dem man später dann arbeiten möchte. In Annikas Fall ist das der Energiesektor. Mit Erfolg: Seit Februar 2021 macht sie in Bilbao ein Auslandspraktikum im Bereich Photovoltaik.

Wie Praktika dir helfen

Ein Praktikum ist dabei eine tolle Möglichkeit, Einblicke in die MINTWelt zu bekommen. Amelie Patzer ist Abiturientin und wird im Herbst das duale Studium „User Experience Design“ beginnen, mit Theoriephasen an der Technischen Hochschule Ingolstadt und Praxisblöcken bei BMW in München. „Im Studium geht es etwa um die Benutzerfreundlichkeit von Webseiten und die Frage: Brauche ich fünf Klicks, um etwas in den Warenkorb zu legen oder klappt es mit einem?“

Amelie ist 18 und hat schon fünf Praktika gemacht, das erste in der achten Klasse. Mittlerweile hat sie Einblicke in technisches Produktdesign, Informatik und Maschinenbau bekommen. Sie sagt: „Mir gefällt die Logik, das Erkennen von Zusammenhängen. Die Mischung aus Informatik und Design in meinem zukünftigen Studium begeistert mich.“ Praktika sieht sie als wertvolle Chance, sich selbst auszuprobieren und Einblicke in den Berufsalltag zu gewinnen.

Negative Erfahrungen hat sie als junge Frau dabei nie gemacht. Und trotzdem sagt sie: „Ich wünsche mir, dass wir Vorbehalte ablegen, auch gegenüber uns selbst. Damit jeder unvoreingenommen das machen kann, was wirklich zu ihm oder ihr passt.“ MINT oder nicht MINT? Das ist also die entscheidende Frage. Es geht darum, ob du dich für diese Bereiche begeisterst und ob du Talent mitbringst. Unabhängig von deinem Geschlecht.

Tipp 3: Ausprobieren

„Wer sich fürs Programmieren interessiert, kann es über Apps einfach mal ausprobieren. Zum Beispiel mit der Code Academy, die kostenfreie Programmierkurse anbietet. Oder du machst Praktika. Das geht auch in den Schulferien gut, falls es an deiner Schule – wie bei mir – nur ein Pflichtpraktikum gibt. Mir hat das bei der Studienwahl geholfen.“

Die Autorin
Romy Schönwetter

Um ihren Kopf freizubekommen, geht sie gerne joggen. In Augsburg studierte sie an der Universität Medien- und Kommunikationswissenschaften. Vor allem die Themen Bildung, Karriere und Gesundheit interessieren und begeistern sie.