VIP-Interview

Felix Jaehn: Vom Geiger zum DJ

Lesedauer: 6 min

Keine Plattenfirma bot ihm anfangs einen Deal, den Durchbruch schaffte er selbst. Heute hat Felix Jaehn mit seinen Songs knapp 100 Mal Gold und Platin erreicht. Wie ihn sein Auslandsjahr in London beeinflusste und was er heute anders machen würde.


DJ Felix Jaehn
DJ Felix Jaehn
Ihm gelang 2014 mit seinem Remix von „Cheerleader“ der Durchbruch.
© Felix Sucksdorff
© Felix Sucksdorff
DJ Felix Jaehn
Ihm gelang 2014 mit seinem Remix von „Cheerleader“ der Durchbruch.
DJ Felix Jaehn

Du bist weltweit als DJ erfolgreich, deine Musik läuft im Radio rauf und runter. Wie ist es dazu gekommen?
Das ging mit 15 los, als ich für drei Monate zum Schüleraustausch in Neuseeland war. An den Wochenenden fanden da häufiger Hauspartys statt. Aber während alle anderen gefeiert haben, bin ich zum Laptop und habe das nächste Lied ausgesucht. Mir war schon immer wichtig, welche Musik läuft. Das war der Anfang. Dann kamen die ersten Programme, die ersten Controller. Zu dem Zeitpunkt war es aber nur eine große Leidenschaft. Zurück in Deutschland habe ich mit drei Kumpels und meinem Bruder angefangen, Geburtstagspartys für unsere Freunde zu schmeißen. Und daraus hat sich der erste Club-Gig bei einer Abiparty in Lübeck ergeben.

Und wann wurde daraus ein konkreter Berufswunsch?
Mit 17 habe ich Abitur gemacht. Meine Eltern haben mir nach der Schule freigestellt, ein Jahr lang das zu tun, worauf ich Lust habe – also ein Gap Year einzulegen. Erst wollte ich nach Südamerika reisen, weil ich Spanisch damals interessant fand und mich in sozialen Projekten engagieren wollte. Doch dann kam mir: „Wenn du durch Südamerika reist, musst du deinen DJ-Controller hier lassen“ (lacht). Musik zu machen war für mich ein entscheidendes Kriterium, das wurde mir damals bewusst. Durch Online-Recherchen bin ich auf das Point Blank Music College in London gestoßen. Dort habe ich ein Jahr „Musikproduktion und Musikwirtschaft“ studiert.

Ein Jahr in London: Was haben deine Eltern dazu gesagt?
Sie fanden den Plan gut. Mein Bruder war nach der Schule in Kuala Lumpur, 10.000 Kilometer von Deutschland entfernt. Beim Gedanken an Englischlernen und Leben in London – das nur eine Flugstunde entfernt ist – waren meine Eltern deutlich entspannter. Das Musik-College hat dagegen einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, weil sie damit erst mal nichts anfangen konnten. Nach London zu ziehen und dort Musik zu studieren, war natürlich auch mit hohen Kosten verbunden. Heute sind sie froh, dass sie mich dabei unterstützt haben.

Die Karriere

Felix Jaehn

2021: Felix hat bislang 15, 2 Millionen Tonträger verkauft. 

2016: Auf Erfolgskurs: Felix wird mit dem Bambi in der Kategorie „Entertainment“ ausgezeichnet.

2016: stürmt er gemeinsam mit der finnischen Sängerin Alma und „Bonfire“ die Charts.

2015: Für das Lied „Ain’t nobody“ erhält Felix in Deutschland Platin – für über 200.000 verkaufte Singles. Und sechsfach Platin gibt’s für die Single „Cheerleader“ in Italien.

2014: In 55 Ländern auf Platz: Mit seinem Remix von Omis „Cheerleader“ gelingt Felix der Durchbruch. Mit dem Song schaffte er es als erster Deutscher seit 1989 an die Spitze der US-Charts.

2011: Abitur am Ernst-Barlach-Gymnasium (Mecklenburg-Vorpommern)

Hat dich die Londoner Musikszene geprägt?
Ich war das erste Mal länger als drei Monate von zu Hause weg. Anderes Land, andere Sprache. Am College habe ich Leute aus aller Welt getroffen: Ich hatte Freunde aus Norwegen, Indien, Portugal und der Türkei – das war für mich eine prägende Zeit. Die Londoner Musikszene hat mich auch verändert. Auf Abipartys in Deutschland musste ich oft Musik aus allen Genres auflegen – Hauptsache die Tanzfläche bleibt voll. In London konnte alles reifen.

Hat sich dein Sound verändert?
Er ist erwachsener geworden. In London habe ich erst richtig angefangen, Deep House aufzulegen. Ich habe zum Beispiel im Ministry of Sound (Anm. d. Red.: einer der berühmtesten und größten Clubs der Welt) ein Support-Set gespielt – ohne eigene Releases zu haben. In Deutschland ist mein Sound wieder etwas melodischer geworden. Das liegt auch an meiner musikalischen Ausbildung: Als Kind habe ich sieben Jahre lang Geige gespielt.

Hat dich deine klassische Musikausbildung positiv beeinflusst?
In jedem Fall. Ich war im Jugendorchester. Wenn man gemeinsam Musik macht, entwickelt man ein ganz anderes Ohr für Klänge und Harmonien. Ich mache zwar elektronische Musik, die weitestgehend mit dem Computer produziert wird, doch auch dafür sind Harmonielehre und ein Verständnis für Rhythmus essenziell.

Ganz persönlich

Was war dein Abischnitt? 1,9 


Was ist dein musikalisches Vorbild? Gerade ist es Calvin Harris. Er hat’s auf jeden Fall drauf, musikalisch und produktionstechnisch. 

Die besten Ideen kommen mir... meistens in Gesellschaft. Ich brauche den Austausch mit anderen. Wenn ich allein drei Stunden über etwas grüble, verzweifle ich. 

Was darf auf keiner Tour fehlen? Gesundes Essen und Trinken. Wir haben immer einen Entsafter dabei, damit wir frische Smoothies und Säfte machen können.

Wie lautet dein persönlicher Gute-Laune-Song? Meine Playlist ergänze ich ständig. Gerade höre ich viel Lukas Graham. Mit ihm stand ich vor zwei Jahren schon mal gemeinsam auf der Bühne.

Was würdest du nie posten? Social Media muss persönlich sein. Ich lasse die Leute gerne an meinem Leben teilhaben. Mein Schlafzimmer habe ich aber noch nie gezeigt.

Warst du in der Schulzeit dann ein typischer Orchester-Nerd?
Ich war eher das Gegenteil. Ich habe auch Fußball und Tennis gespielt, was mich oft in eine Konfliktsituation gebracht hat: Fußballspiel, Orchesterprobe oder Tennisturnier? Ich musste mich häufig entscheiden. Wenn man seiner Fußballmannschaft zum zweiten Mal absagt, weil man lieber zur Orchesterprobe geht, kommt das nicht gut an (lacht).

Nach deiner Rückkehr aus London hast du zuerst einen sicheren Weg eingeschlagen: Wieso Studium statt Durchstarten?
Mir war bewusst, dass die Chance sehr gering ist, von der Arbeit als DJ leben zu können. Also habe ich ein Praktikum beim Hamburger Label Edel gemacht und anschließend ein BWL-Studium in Berlin an der Humboldt-Uni begonnen. Das habe ich noch im ersten Semester abgebrochen. In der Vorlesung habe ich lieber neue Musik gesucht, gehört oder verschickt. Also habe ich mich bei Edel für einen dualen Studienplatz beworben und ihn bekommen. Das war für mich der Kompromiss aus „du musst was Anständiges machen“ und „du hast trotzdem Bezug zu deiner Leidenschaft, der Musik“. In dem Jahr, in dem ich auf den Studienplatz warten musste, habe ich weiter Musik gemacht. Das duale Studium habe ich dann aber nie angefangen.

Ist ein Studium immer noch dein Plan B?
Ein Studium kommt für mich nicht mehr infrage. Durch meine Arbeit in der Musikindustrie mache ich täglich eine Case Study an meinem eigenen Fall und baue mir ein Netzwerk aus Kontakten auf. Selbst meine Oma und mein Opa väterlicherseits haben meinen DJ-Job offiziell anerkannt. Jeder Enkel kriegt zum Examen ein Geschenk. Meins, einen Porzellanteller, habe ich vor kurzem bekommen. Sie sind happy mit meiner Berufswahl, auch ohne Abschluss.

 
 
 
 
 
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Du hast schon mehr als 40 Länder bereist und in Metropolen aufgelegt: Gibt es für dich noch so etwas wie Alltag?
Jetzt wieder, zum ersten Mal seit zwei Jahren. Mit „Cheerleader“ ging alles los. Der Remix war in 55 Ländern auf Platz 1, dann kam „Ain’t nobody“ direkt hinterher. Ich war weltweit unterwegs. Im Juli 2016 habe ich mit „Bonfire“ meine letzte Single herausgebracht. Anfang 2017 wollte ich meinen Kalender etwas freier lassen – vor der Veröffentlichung der neuen Single „Hot2Touch“ im Mai. Um mal wieder einkaufen zu gehen und zu kochen. Diese Sachen machen mir auf einmal großen Spaß – sie haben sogar etwas Meditatives. Die Zeit zu Hause an der Ostsee mit meinen Freunden genieße ich total.

Auf welcher Bühne fühlst du dich am wohlsten?
Im Club sehe ich die Gesichter der ersten Reihe, spüre die Emotionen. Das ist toll. Eigene Live-Touren mag ich aber besonders. Mit meinem Team kann ich das Bühnenbild gestalten, die Licht-Show, kann Musiker mitnehmen. Bei meiner letzten Tour hatte ich zum Beispiel eine Cellistin und einen Trompeter dabei.

Wie gehst du mit Leuten um, die sagen: DJs können ja nichts.
Wenn es so einfach wäre, würde es jeder machen. Es kommt auf das künstlerische Talent an: Welche Songs spielt man wann? Wie mixt man sie zusammen, wie baut man die Dynamik der Nacht auf? Die DJs, die kommerziell erfolgreich sind, zeichnen sich zudem über ihre Singles aus – weniger über ihre DJ-Skills. Die Leute wollen mich sehen, weil sie beispielsweise den Song „Book of love“ toll finden. Und diese Single habe ich produziert. Ich bin kein DJ, der nur an den Knöpfchen dreht.

Würdest du heute etwas anders machen?
Ich habe viel Zeit damit verschwendet, Plattenfirmen zu kontaktieren. Teilweise habe ich 200 E-Mails mit Song-Demos pro Tag verschickt. Heute bietet das Internet eine Plattform, über die man sehr ehrliches und direktes Feedback bekommt. Wenn etwas gut ist, findet es seinen Weg, weil die Leute es mit ihren Freunden teilen. Die Plattenfirmen werden dann zum Beispiel durch Blog-Charts wie „Hype Machine“ darauf aufmerksam. Es ist schlauer, sich auf die Musik zu konzentrieren, im Netz sichtbar zu werden – dann kommen die Anfragen von selbst.

Die Autorin
Romy Schönwetter

Um ihren Kopf freizubekommen, geht sie gerne joggen. In Augsburg studierte sie an der Universität Medien- und Kommunikationswissenschaften. Vor allem die Themen Bildung, Karriere und Gesundheit interessieren und begeistern sie.