VIP-Interview

Namika: „Ich muss mich niemandem beweisen“

Lesedauer: 7 min

Hip-Hop-Beats, Pop und orientalische Klänge: Namika passt in keine Schublade. Will sie auch gar nicht. Die Frau mit den marokkanischen Wurzeln und dem Soul in der Stimme liebt die Vielfalt. Ihr musikalisches Talent hat sie zum Beruf gemacht – auch dank der Unterstützung ihrer Deutschlehrerin.


Sängerin Namika
Sängerin Namika
Ihr Markenzeichen sind eher untypische Klänge.
© dpa
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Sängerin Namika
Ihr Markenzeichen sind eher untypische Klänge.
Sängerin Namika

Dein Debütalbum ist 2015 durch die Decke gegangen. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Die Arbeit an meinem ersten Album hat drei Jahre gedauert. Es war also ein langer Prozess, bis „Lieblingsmensch“ auf Platz 1 der Singlecharts landete. Der Erfolg war für mich kaum greifbar: Die Musik, die ich monatelang im Dunkeln eines Studios entwickelt hatte, kam endlich ans Tageslicht. Die ersten großen Auftritte waren für mich dann die Bestätigung dafür, dass es richtig war, meinem Instinkt zu folgen und Musik zu machen.

Hast du in der Schulzeit schon von einer Musikkarriere geträumt?
Ja, mir war klar, dass ich nichts anderes machen möchte. Musik ist meine „Special Fähigkeit“. Jeder hat ja in der Regel ein Talent. Doch viele aus meiner Klasse kannten ihre Stärken gar nicht. Oft haben sie auf ihre Eltern gehört – erst Abi, dann Studium. Klar, unsere Eltern meinen es gut mit uns. Doch jeder sollte selbst herausfinden, was er will.

Wann wurde aus deinem Hobby ein Berufswunsch?
Das kann ich gar nicht genau sagen. Mit 14 habe ich amateurhaft in meinem Kinderzimmer die erste Musik produziert. Und irgendwann war der Gedanke da: Wenn ich schon mein ganzes Leben arbeiten muss, dann im Musikbereich.

Was hat deine Mama dazu gesagt?
Sie war einverstanden, die Schule lief ja gut. Doch in der Oberstufe hatte ich zunehmend keinen Bock mehr auf Unterricht. Da hat sie gesagt: „Musik ja, aber unter der Bedingung, dass du erst dein Abi schaffst.“
 
Woran lag’s, dass du keine Lust mehr auf Schule hattest?
Ich war oft hin- und hergerissen: Früh ins Bett gehen, um die erste Stunde nicht zu verpassen? Oder nachts an Songs arbeiten? Kreativität kann ich tagsüber einfach nicht so gut abrufen. Doch ich hab’s geschafft, auch dank der Unterstützung meiner Deutschlehrerin. Sie hatte viel Verständnis für meine künstlerische Seite.
 
Hat sie dir was Wichtiges über das Leben beigebracht?
Voll! Sie war unsere Vertrauenslehrerin. Eine mega coole Frau: Alle Schüler mochten sie und hatten gleichzeitig großen Respekt vor ihr. Von ihr habe ich gelernt, in den richtigen Momenten Verständnis zu zeigen und meinen Weg zu gehen.
 
Mochtest du das Fach Deutsch?
Ja. Ich war schon immer ein Lyrikfan.
Die Karriere

Namika

2019: Namika ist auf Deutschlandtour.

2018: Namikas zweites Album „Que Walou“ erscheint.

2016: Nominiert für den Echo in drei Kategorien. Und Namika ist Jurymitglied beim Eurovision Song Contest.

2015: Auszeichnung mit der „1 Live Krone“ als Beste Künstlerin.

2015: Dreifach Gold für ihre Single „Lieblingsmensch“.

2015: Namikas Album „Nador“ erscheint.

2013: Abitur in Frankfurt am Main.

Aber Französisch war nicht so deins, wenn man sich „Je ne parle pas français“ anhört.
[lacht] Ich liebe Französisch, wirklich! Für mich ist Französisch eine der schönsten Sprachen der Welt. Doch ich habe nie die Grammatik oder die Zeiten gecheckt. Der Song sagt mit der Zeile also 100 Prozent die Wahrheit. Ich habe mir aber fest vor- genommen, die Sprache noch zu lernen.

Deine ersten Songs hast du kurz vor dem Abi veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Ich hatte damals schon 20 Songs geschrieben und wollte sie auf CD pressen lassen. Aber mich kannte natürlich kaum jemand. Also habe ich mit einem Kumpel Videos zu einigen Liedern gedreht. Bekloppt wie wir sind, hat das ganz schön viel Geld gekostet. Wir sind damit ein Risiko eingegangen, der Erfolg hätte ja auch ausbleiben können. Aber Risiken sind wichtig, finde ich. Nur so kann etwas richtig Gutes entstehen. Die Videos habe ich dann genau zu meiner Abi-Phase auf YouTube veröffentlicht. Und da gab’s dann schnell die ersten Reaktionen, auch aus der Musikindustrie.

Nach dem Abi hast du kurz studiert ...
Genau, ich habe mich für Philosophie und Musikwissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt eingeschrieben. Doch ich hatte dann gar keine Zeit dafür, weil die Arbeit am ersten Album losging.
 
Ist ein Studium für dich vom Tisch?
Man kann auch noch mit 60 studieren, also nicht ganz [lacht]. Wenn ich vor der Wahl stünde, würde ich in Richtung Musikmanagement gehen.
 
„Lieblingsmensch“ war der Sommerhit 2015. Hast du immer noch Freude daran, den Song zu performen?
Ich mag alle meine Songs, das ist nicht das Problem. Doch nach zwei Jahren hatte ich das Gefühl, ich brauche was Neues. Also habe ich mich ins Studio zurückgezogen.
 
 
 
Ganz persönlich

Abi-Schnitt... lag irgendwas zwischen 3,5 und 3,8.

Mein Vorbild... ist meine Mama.

Zu Hause ausgezogen mit... 22 Jahren.

Schule ist... wichtig und brachte mir Disziplin bei, ob ich wollte oder nicht.

Heimat bedeutet für mich... herunterfahren.

Das darf auf keiner Tour fehlen... mein Kulturbeutel.

Nervös werde ich, wenn... mir jemand im Voraus sagt, dass er/sie eine Überraschung für mich geplant hat und dann nicht mehr verraten will.

Lieblingsteil im Kleiderschrank... meine Jeansjacke im cropped-Bomber-Schnitt.

Ich mache Musik, weil... ich schon immer aus meinem Lieblingshobby meinen Beruf machen wollte.

War es dir wichtig, dass „Que Walou“ noch persönlicher als dein erstes Album „Nador“ wird?
Bei mir passiert alles intuitiv. Das erste Album war ein „Hallo“ an die Welt, die mich noch nicht kannte. Ein kleiner Eindruck meiner Persönlichkeit. Das zweite Album ist wie ein Wiedersehen. Wie im echten Leben ist man anfangs vielleicht etwas zurückhaltender, beim zweiten Mal herzlicher. Außerdem ist Musik für mich immer auch ein Ventil für meine Emotionen. So ist auch der Song „Ahmed“ entstanden ...
 
... ein Lied über deinen Vater, den du nie kennengelernt hast.
Er hat meine Mama vor meiner Geburt verlassen, ist kriminell geworden und saß in Marokko im Gefängnis. Das hat mich beschäftigt. Ich hatte oft das Gefühl, nicht ganz komplett zu sein, weil ein Elternteil fehlt. Meine Mama hat die Lücke mit sehr viel Liebe gefüllt. Mit dem Song wollte ich mir das Thema von der Seele schreiben. Ich wollte es teilen – ich bin ja nicht die Einzige, die ohne Vater aufgewachsen ist. Musik baut mich auf, wenn es mir schlecht geht. Deswegen ist es mir wichtig, Songs mit Substanz auf dem Album zu haben – neben denen, die super im Radio funktionieren.
 
Du bist als eine von wenigen Frauen im deutschen Hip-Hop verwurzelt. Viele feiern dich dafür.
Kunst ist Kunst, egal wer sie macht. Ich wünsche mir, dass wir die Musik feiern, nicht das Geschlecht. Denn ich möchte mich nicht in ein Korsett zwängen lassen. Manchmal kriege ich zu hören, dass ich für Rap gar nicht Rap genug bin, sondern zu weich. Aber hey: Ich darf weich sein! Ich mache die Musik, die ich gut finde.
 
 
 
 
 
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Für dein erstes Album gab’s eine goldene Schallplatte. Hat das den Druck bei der Arbeit am zweiten Album erhöht?
Anfangs ja, weil jeder drüber geredet hat, ob ich Druck empfinde. Das hat mich irregemacht. Doch dann dachte ich: Hey, warum mache ich mich zum Sklaven dieser Denkart? Wenn’s schon einmal so intuitiv geklappt hat, warum sollte es nicht auch ein zweites Mal funktionieren? Also habe ich mental auf „Reset“ gedrückt. Es bewirkt Wunder, wenn man sich selbst sagt: Ich muss mich niemandem beweisen.

Hast du Tipps für Schüler ohne Zukunftsplan?
Finde deine „Special Fähigkeit“. Da darf man sich selbst im Kopf keine Grenzen setzen. Einer meiner kleinen Brüder zockt beispielsweise ziemlich viel und gut. Wer sagt denn, dass er nicht mal professioneller Playstation-Spieler wird? Oder selbst Spiele programmiert? Mein Tipp: Groß träumen, Ziel anvisieren und nicht mehr loslassen.
 
Danke für das Interview, Namika.
Die Autorin
Romy Schönwetter

Um ihren Kopf freizubekommen, geht sie gerne joggen. In Augsburg studierte sie an der Universität Medien- und Kommunikationswissenschaften. Vor allem die Themen Bildung, Karriere und Gesundheit interessieren und begeistern sie.