Backpacking oder Au-pair: Ein bisschen
wie Liebeskummer
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Heimweh kann jeden erwischen. Die einen nach wenigen Tagen, andere nach Monaten. Doch das sollte dich nicht von einem Auslandsabenteuer abhalten. Wie man damit umgeht, erzählen Au-pair Anna (20) und Backpackerin Mia (19).
An ihren ersten Heimweh-Moment erinnert sich Mia Brinkmann noch genau. Die 19-Jährige ist von Januar bis Juli mit dem Rucksack durch Neuseeland gereist. „Work and Travel ist für mich der Inbegriff der Freiheit“, erzählt Mia. „Reisen, wohin man will, solange man will. Im Vorfeld habe ich mir da gar keine Gedanken über Heimweh gemacht. Doch genau drei Monate nach meiner Ankunft in Auckland hat es mich erwischt.“ Mia wurde von Heimweh überwältigt.
Gar nicht so schlimm?
Auf ihrer Reise lebte sie vor allem bei Gastfamilien. Und bei einer fühlte sie sich plötzlich unwohl. „Auf einmal war alles fremd. Ich habe meine Freunde vermisst, meine Eltern und meinen Bruder. Also habe ich in diesen Tagen viel mit ihnen geskypt.“ Und noch etwas hat ihr geholfen: drei Briefe ihrer Cousine, mit der sie eng befreundet ist.
„Sie hat mir einen Brief für den Hinflug gegeben, einen für den Rückflug und einen, ‚wenn mal alles scheiße’ ist“, sagt Mia. „Genau den habe ich gelesen.“ Rückblickend, findet Mia heute, war die Heimwehphase aber gar nicht so schlimm. „Letztendlich habe ich dadurch vor allem gelernt, selbstständig zu sein.“ Heimweh empfindet jeder etwas anders.
Mias Tipp
„Heimweh hat auch was Positives. Ich bin dadurch selbstbewusster geworden und habe gelernt, Herausforderungen alleine zu meistern. Ich habe mich sogar von Neuseeland aus für mein Traumstudium ‚Bionik’ beworben und wurde angenommen.“
Für viele fühlt es sich ein bisschen wie Liebeskummer an. Denn schließlich ist Heimweh eine Reaktion auf eine Trennung – von Freunden, der Familie, von der gewohnten Umgebung. Deswegen sind auch die Strategien damit umzugehen ganz unterschiedlich. Mia hat viel mit ihren Liebsten gesprochen. Das war trotz der Entfernung von mehr als 18.000 Kilometern leicht übers Internet möglich. Geholfen haben auch Fotos, die sie sich in dieser Zeit oft angesehen hat.
Erst zulassen, dann ablenken
Da geht es Anna Kuhlmann ganz ähnlich. Die 20-Jährige arbeitet seit Juni in London als Au-pair. Der Schritt von ihrem Heimatdorf mit 4.000 Einwohnern zur Millionenmetropole war groß, doch das Heimweh blieb klein. „Nur an Tagen, an denen es mit meinen drei Gastkindern mal sehr stressig ist, vermisse ich mein Zuhause“, erzählt Anna.
„In den Sommerferien ist meine Gastfamilie ohne mich verreist. Die Zeit habe ich genutzt, um nach Hause zu fliegen und meine Familie zu sehen.“ Die Rückkehr fiel ihr dann erstaunlich leicht. „Ich habe realisiert, wie toll die Chance ist, ein Jahr im Ausland zu verbringen.“ Trotzdem sollte man sein Heimweh zulassen, findet Anna. „Doch dann ist es wichtig, sich abzulenken.“
Für sie heißt das: London entdecken und andere Au-pairs kennenlernen. Dabei hilft ihr auch die Organisation „Travelworks“. Der Veranstalter betreut Anna vor Ort und organisiert zum Beispiel gemeinsame Picknicks. Außerdem nutzt Anna die App „AuPairs UK“, die Au-pairs mit gleichen Interessen am selben Standort zusammenbringt.
Annas Tipp
„Plane dir bewusst Zeit mit deiner Familie ein. Ich habe zum Beispiel jeden Sonntag mit meinen Eltern und Geschwistern über Skype gesprochen. Und dann: Lenk dich ab. Finde neue Lieblingsplätze und schließe Freundschaften.“
Ablenkung war auch für Mia in Neuseeland die richtige Strategie gegen Heimweh. Sie löste kurzerhand ein Ticket für einen „Hop-on-hop-off-Bus“, der Besucher an Orte bringt, die normale Touristen nur selten besuchen. „Neuseeland ist bei Backpackern beliebt“, sagt Mia. „Mich hat der Gedanke beruhigt, dass ich ja nicht die einzige bin, die mit ihrem Rucksack tausende Kilometer weg von Zuhause ein neues Land entdeckt.“ Auch über Facebook-Gruppen hat sie Gleichgesinnte gefunden. Mit fünf anderen Backpackern hat Mia so den Süden des Landes in ausgiebigen Wandertouren erkundet.
Einig sind sich Mia und Anna vor allem in einem Punkt: Heimweh vergeht mit der Zeit. Das ist sogar wissenschaftlich belegt. Eine Langzeitstudie, unter anderem von der University of Cambridge, zeigt: Für die Mehrheit der Auslandsstudierenden ist das Heimweh zu Beginn am stärksten, lässt aber schnell nach. Und selbst, wenn es dich öfter oder länger erwischt – lass dich davon nicht ausbremsen. Mia sagt: „Freunde und Familie sieht man wieder. Doch die Zeit im Ausland ist oft einmalig.“
Workcamps
Was? Du arbeitest in einer internationalen Gruppe aus bis zu 20 Personen an einem gemeinnützigen Projekt.
Wie lange? 2 bis 4 Wochen
Wo? Zum Beispiel in Argentinien, Ecuador, Ghana, Nepal, Indonesien, Südafrika.
Farm- und Ranch-Aufenthalte
Was? Du hilfst zum Beispiel auf einer Pferderanch, hütest Rinder oder Schafe. Dabei lebst du in der Regel auf dem jeweiligen Hof bei einer Familie.
Wie lange? Ab 4 Wochen
Wo? Häufig in den USA möglich, in Kanada, Argentinien und Chile, Irland und Schottland.
Sprachkurse
Was? Du besuchst eine Sprachschule im Ausland, abgestimmt auf deinen Bedarf (Abi-Vorbereitung, Basiskurs, uvm.).
Wie lange? Ab 2 Wochen
Wo? Abhängig von der Sprache nahezu weltweit: von Australien bis Singapur, von Costa Rica bis Japan.
Um ihren Kopf freizubekommen, geht sie gerne joggen. In Augsburg studierte sie an der Universität Medien- und Kommunikationswissenschaften. Vor allem die Themen Bildung, Karriere und Gesundheit interessieren und begeistern sie.