Mirko Drotschmann: „Ich habe heute noch Albträume von Mathe“

Lesedauer: 5 min

Mirko Drotschmann erreicht als Mr Wissen2go mit seinen YouTube-Videos mehr als 2 Millionen Menschen. Im exklusiven Interview mit dem Traumberuf-Magazin verrät er, wie vielfältig der MINT-Bereich ist und warum die Nachwuchsförderung so wichtig ist. 


Mirko Drotschmann
Mirko Drotschmann
Journalist, Moderator, Autor und Content Creator
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Mirko Drotschmann
Journalist, Moderator, Autor und Content Creator
Mirko Drotschmann

Mirko, du bist als MrWissen2go bekannt geworden. Deine Videos sind immer und überall dort, wo es Internet gibt, erreichbar. Ist das die Zukunft der Bildung?

Drotschmann: In jedem Fall sollte man die Möglichkeiten der digitalen Medien intensiv für die Bildung nutzen, weil Jugendliche ohnehin recht viel Zeit im Internet verbringen. Leider hat das Thema Bildung in meinen Augen derzeit aber einen viel zu geringen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Das zeigt auch die Analyse des Bundestagswahlkampfs. Da hat die Bildung fast gar keine Rolle gespielt. Das hat mich schon sehr enttäuscht.

 

Dabei geht es um die Zukunft Deutschlands. Auch der fehlende MINT-Nachwuchs ist hier ein Problem...

Richtig. Ich muss sagen, ich bewege mich da auf dünnem Eis, denn ich selbst habe immer noch Albträume von Mathe. Dass der MINT-Bereich nicht zu meinen Lieblingsfächern zählte, lag vielleicht daran, dass es mir im Schulunterricht nicht gelungen ist, mich dafür so richtig zu begeistern. Vor allem Mathe blieb für mich immer abstrakt.

 

Was hätte dir als Schüler helfen können?

Ich denke, stärker und öfter einen praktischen Bezug herzustellen. Also zum Beispiel noch mehr Experimente in Physik und Chemie und ein paar Anwendungsbeispiele in Mathematik, die mehr mit der Realität zu tun haben. Im Einzelnen ist das sicher nicht immer leicht umzusetzen. Aber da sehe ich gerade in der Physik und Chemie ganz viele tolle Möglichkeiten. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler durch spannende Videos und Podcasts sicher auch gut erreicht werden.

Du hast es ja schon geschafft, 2,3 Mio. Follower für deinen You-Tube-Kanal MrWissen2go zu begeistern. Was ist dein Erfolgsrezept?

Mein Ansatz ist tatsächlich so, wie ich es gerade beschrieben habe. Für mich ist es immer ganz wichtig, einen Bezug zur Lebenswelt der Leute herzustellen und dabei klarzumachen, warum das Thema relevant ist. Mein Steckenpferd ist ja die Geschichte. Und ich bin davon überzeugt, dass wir die Gegenwart vor allem dann gut verstehen, wenn wir die Vergangenheit kennen. Ich greife also eine aktuelle Fragestellung auf und konstatiere zunächst: ‚Heute ist das so und so.‘ Die spannende Frage ist dann aber: ‚Wisst ihr überhaupt, warum das so ist?‘

Mirko Drotschmann

studierte nach seinem Abitur im Jahr 2005 Geschichte und Kulturwissenschaft und arbeitete als freier Journalist. 2014 absolvierte er ein journalistisches Volontariat beim SWR. Seit 2020 moderiert er die Dokumentationsreihe „Terra X“ im ZDF. Doch nicht nur das: Als MrWissen2go erklärt er seinen ca. 2,3 Mio. Followern auf YouTube wichtige Themen aus Politik und Geschichte. 

Spannendes Alltagswissen

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Kannst du weitere Angebote empfehlen, wo du dich gerne informierst?

Da gibt es eine ganze Menge. Als ich mit MrWissen2go angefangen habe, war der englischsprachige Kanal Crashkurs für mich sehr inspirierend. Dieser Kanal bietet jede Menge Videos zu Schulfächern an. Das kann ich sehr empfehlen, wenn man des Englischen mächtig ist. Es werden aber auch Untertitel angeboten, damit sollte man gut hinkommen. Im MINT-Bereich ist es für mich Vsauce. Das ist ebenfalls ein englischsprachiger Kanal, der MINT-Themen total gut präsentiert. Speziell für Mathe fallen mir die Videos von Lehrerschmidt oder auch Daniel Jung ein. Das sind zwei sehr bekannte Matheformate, die mir in der Schulzeit sicher enorm weitergeholfen hätten.

 

Trotz vieler Wissensformate im Netz fehlt im MINT-Bereich insbesondere der weibliche Nachwuchs...

Das stimmt. Dabei gibt es einige Vorbilder. Zum Beispiel war Sofia Kowalewskaja im 19. Jahrhundert an der Universität Stockholm die erste Mathematikprofessorin der Welt. Und interessanterweise fällt das ja in eine Zeit, in der eine andere Frau ebenfalls sehr erfolgreich war, nämlich Marie Curie, eine Pionierin in der Erforschung von Radioaktivität. Außerdem möchte ich eine dritte Frau nennen, ohne die 1969 die Mondlandung nicht möglich gewesen wäre. Denn sie hatte mehr oder weniger im Alleingang die Programmierung dafür ge-macht – das war Margaret Hamilton.

 

An prominenten Vorbildern mangelt es also nicht. Trotzdem sind Studiengänge wie Mathematik und Physik männlich dominiert.

Richtig. Und das liegt sicher auch daran, dass – obwohl ich drei Frauen genannt habe – insgesamt im MINT-Bereich in der öffentlichen Wahrnehmung überwiegend männliche Forscher tätig sind. Und sie spielen dann auch in den Medien eine größere Rolle. Hinzu kommt der hohe männliche Studienanteil in den MINT-Fächern. Wenn du dir als Abiturientin überlegst, Maschinenbau zu studieren und am Schnuppertag an der Uni bemerkst ‚Hier sind ja zu 95 Prozent Männer‘, dann liegt es nicht so fern zu denken: ‚Das ist vielleicht doch nichts für mich.‘ Ich habe in Karlsruhe Geschichte und Kulturwissenschaft studiert. Das waren dort absolute Orchideenfächer. Technische Fächer wie Informatik, Physik, Chemie und Maschinenbau haben in Karlsruhe alles dominiert – und hatten einen sehr hohen Männeranteil. Daran hat sich meines Wissens bis heute wenig geändert.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Gegenwart vor allem dann gut verstehen, wenn wir die Vergangenheit kennen.

Mirko Drotschmann

Wer wie du die Geschichte kennt, ist auch für Gegenwart und Zukunft gut aufgestellt. Welche Studienfächer führen aus deiner Sicht zu erfolgreichen beruflichen Werdegängen?

Die Studienentscheidung sollte natürlich zuallererst etwas mit persönlichen Vorlieben zu tun haben. Jenseits der individuellen Ebene bieten aber die MINT-Fächer gerade in Deutschland viele gute Möglichkeiten. Ob es jetzt die Biochemie ist, wo es deutsche Unternehmen gibt, die weltweit führend sind oder ob es etwa die Physik ist. Beste Chancen hat man auch mit einem Informatikstudium. Und wenn MINT-Absolventen später ihre Leidenschaft für Pädagogik und Unterrichten entdecken, können sie auch ins Lehramt quereinsteigen.

 

Du hast die Informatik erwähnt. Im Datenmanagement wird die künstliche Intelligenz immer wichtiger. Arbeitest du im journalistischen Bereich auch damit?

Ja absolut. Ich versuche, die Möglichkeiten zu nutzen, die es gibt, ohne dabei in eine falsche Richtung zu gehen. Eine falsche Richtung würde für mich bedeuten: Ich lasse mir jetzt die Arbeit komplett von der KI abnehmen, obwohl diese zweifelhafte Ergebnisse liefert. Ich würde mir niemals ein Skript von ChatGPT schreiben lassen. Aber ChatGPT hilft mir bei Dingen, für die ich sonst zum Beispiel komplexer rechnen müsste. Oder wenn ich mir Sachverhalte zusammenfassen lassen möchte. Dann bekomme ich durch die KI etwa einen schnellen Überblick über eine Studie, die vielleicht 150 Seiten lang ist. Das ersetzt natürlich nicht die Lektüre dieser Studie, aber die KI kann den Einstieg ins Thema erleichtern.

Stichworte Mensch und MINT-Nachwuchs: Was müsste sich denn in der Gesellschaft ändern, um mehr junge Leute für den MINT-Bereich zu begeistern?

Wir müssen unsere MINT-Helden mehr feiern. Die Leute, die einen tollen Job machen, und das sind ja wahnsinnig viele in Deutschland, sollten wir für das, was sie tun, auch in der Öffentlichkeit entsprechend honorieren. Denn wir brauchen diese Menschen, egal ob es jetzt um den großen Bereich des Klimawandels geht, in dem Innovationen so wichtig sind, oder eben um Künstliche Intelligenz. Und ich glaube, wenn es Leute gibt, die als Vorbilder in der Öffentlichkeit stehen, dann gibt es auch einige, die ihnen nacheifern wollen. So wie ich früher mal Fußballprofi werden wollte, weil ich einige Fußballer ganz toll fand. Das ist mir leider nicht gelungen. Aber ich denke, im MINT-Bereich sind die Karrierechancen deutlich größer (lacht).

 

Und müssen wir die MINT-Stars auch in die Schulen bringen?

Unbedingt. Ich werde auch regelmäßig von Schulen eingeladen. Dabei war am Anfang meine große Angst, dass ich Hassmails von Lehrern bekommen könnte, im Sinne von ‚Du weißt es also besser‘. Das Gegenteil ist passiert: Wenn mir Lehrkräfte schreiben, sind sie in der Regel sehr nett und auch Schülerinnen und Schüler fragen, ob ich mal in ihre Schule kommen möchte. Wir brauchen noch viel mehr Bildungskooperationen. Gemeinsam können wir viel erreichen.

Der Autor
Tobias Bunk

Als kleiner Junge schrieb Tobi schon Gedichte, Lieder und Geschichten. Da er es mit seinen Songs jedoch nicht auf die Bühne schaffte, war für ihn klar: "Ich werde mein Geld damit verdienen, Texte zu schreiben." Thematisch hat der dreifache Vater dabei schon über fast alles geschrieben.