Vom YouTube-Star zur CEO
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Ihr halbes Leben steht Ischtar Isik (29) bereits vor der Kamera: Mit 15 postete sie ihr erstes YouTube-Video, heute folgen ihr knapp zwei Millionen. Wie sich Social Media in dieser Zeit verändert hat, warum sie im Studium über sich hinausgewachsen ist und wie sie CEO ihrer eigenen Modemarke wurde.
Ischtar, dein erstes YouTube-Video hast du vor fast 15 Jahren veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Ischtar Isik: Angefangen hat es damit, dass ich selbst gerne YouTube-Videos geschaut habe – das war mein Rückzugsort nach der Schule. Je länger ich dann Zuschauerin war, desto größer wurde mein Verlangen, eigene Videos zu drehen. Deshalb habe ich mir zu meinem 15. Geburtstag eine kleine Digitalkamera gewünscht. Noch an meinem Geburtstag habe ich sie aufgestellt und mein erstes Video aufgenommen.
Was hast du dir von deinem YouTube-Start erhofft? Hattest du damals schon das Ziel einer Social-Media-Karriere?
Erhofft habe ich mir damals gar nichts. Ich habe YouTube als Hobby gesehen und mir gewünscht, dass ein paar Leute Lust haben, sich meine Videos anzusehen. Umso mehr habe ich mich über jeden noch so kleinen Meilenstein gefreut.
Du hattest schon vor deinem 18. Geburtstag über 100.000 Follower. Blieb da noch Zeit für Schule und Freunde?
Ich frage mich auch manchmal, wie das alles ging. Damals mussten Videos aber auch nicht die gleiche Qualität haben wie heute. Stressig wurde es, als ich in der Oberstufe war, die Zahlen gewachsen sind und mein Kanal professioneller wurde. Gleichzeitig stand für mich die Schule im Vordergrund, besonders in der intensiven Abi-Zeit. Da kamen auch mal ein bis zwei Wochen keine Videos und ich war die vorbildliche Schülerin.
In der Öffentlichkeit aufzuwachsen war bestimmt nicht immer einfach, oder?
Mit 15 oder 16 kam ich mir total erwachsen vor. Heute sehe ich aber, wie jung ich damals war und finde es krass, wie ich den Druck und die negativen Kommentare in diesem Alter weggesteckt habe. Ich hatte damals vielleicht noch nicht das größte Selbstbewusstsein. Trotzdem war ich immer selbstbewusst genug, um hinter dem zu stehen, was mir Spaß macht.
Und wie ging es nach dem Abitur für dich weiter?
In den ersten Jahren nach dem Abi habe ich mich auf meinen Influencer-Job konzentriert. Ein Studium hatte ich mir zwar immer gut vorstellen können, aber das Influencer-Marketing hatte zu diesem Zeitpunkt einen echten Boom und ich dachte, das ist meine Chance, mich zu 100 Prozent auf YouTube zu konzentrieren. Dann kamen noch andere Plattformen dazu, sodass aus dem Hobby ein Fulltime-Job wurde.
2011: Dreh und Veröffentlichung des ersten YouTube-Videos an ihrem 15. Geburtstag
2013: 100.000 Follower auf YouTube
2014: Abitur und anschließender Umzug nach Berlin
2015: Eine Million Follower auf YouTube
2018: Start ihres Studiums in Fashion Management
2021: Gründung der Lingerie-Marke Phiala
2023: Launch von Phiala
2024: Start ihres Podcasts „Paarspektiven“ mit Ehemann Tommy
Hast du das Studium irgendwann nachgeholt?
Ja. Vier Jahre nach meinem Abi habe ich ein Studium in Fashion Management angefangen – vereinfacht gesagt ist das BWL mit einem Fokus auf Fashion. Ich hatte schon länger die Idee gehabt, irgendwann etwas Eigenes zu gründen. Mir fehlte aber ein klarer Startpunkt. So kam ich auf das semi-virtuelle Studienmodell, das sich mit meinem Job vereinen ließ. Der Großteil fand online statt, aber es gab auch vereinzelte Präsenzphasen.
Fällt es einem da nicht schwerer, motiviert zu bleiben?
Mir tatsächlich überhaupt nicht. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon ein paar Jahre lang selbstständig und hatte gelernt, mich zu disziplinieren. Hinzu kam, dass ich im Studium ehrgeizig, fast eine Streberin, war. Ich habe das Studium aus eigenem Antrieb gemacht und wollte es bestmöglich abschließen.
Und nach dem Studium hast du dann tatsächlich deine eigene Marke gegründet.
Genau. 2021 habe ich Phiala gegründet und 2023 war der Launch. Die Marke ist immer noch recht klein – quasi mein Baby. Aber das war für mich einfach eine Sache, die ich schon immer machen wollte. Schon mit vier oder fünf Jahren habe ich ständig Modelle mit verschiedenen Klamotten gezeichnet. Das war der Beginn meiner Liebe zur Mode.
Haben dir die Skills, die du im Studium erlernt hast, bei derMarkengründung geholfen?
Ja, teilweise. Inhaltlich habe ich viele Basics gelernt, die später eine gute Grundlage waren. Vieles musste ich mir trotzdem selbst beibringen, ein Bachelor kann nicht alles abdecken. Besonders hat mir mein Studium dabei geholfen, persönlich über mich hinauszuwachsen. Die zusätzliche Verantwortung hat mich gefordert und ich wurde noch disziplinierter, organisierter und selbstständiger.
Was ist Phiala für eine Marke?
Eine Lingerie-Marke. Wir verkaufen Unterwäsche, Bralettes und Slips, aber zum Beispiel auch Slipdresses. Ich bin die alleinige Geschäftsführerin von Phiala und arbeite mit einem kleinen Team zusammen.
„Im Studium bin ich über mich hinausgewachsen.“
Ischtar Isik
Warum hast du dich entschlossen, ausgerechnet Unterwäscheherzustellen?
Für mich hat Lingerie viel mit Selbstliebe zu tun. Außerdem wollte ich unbedingt eine Marke kreieren, die klassische Schönheitsideale aufbricht. Zum Beispiel dadurch, nicht nur normschöne, schlanke Körper zu zeigen. Mir war es von Anfang an extrem wichtig, dass unsere Models nicht retuschiert werden. Bis ins kleinste Detail bleiben ihre Körper wie sie sind – von Cellulite über Dehnungsstreifen bis hin zu den Rasierpickelchen. Dass ich nicht einmal die wegbearbeiten lasse, hat schon zu Diskussionen geführt, aber meine Meinung ist: Retusche schafft unrealistische Erwartungen. Viele Frauen vergleichen sich dadurch mit Bildern, die so in der Realität gar nicht existieren.
Auch auf Social Media und in deinem Podcast sprichst du vielüber Selbstliebe. Hat das mit deinem Job zu tun?
Auf jeden Fall. Weil ich schon früh öffentlich bewertet wurde, musste ich lernen, meinen Selbstwert zu kennen. Sonst hätte ich diesen Beruf nicht lange machen können. Trotz all der Privilegien, die damit einhergehen, ist es nicht einfach, jeden Tag negative Kommentare über die eigene Person lesen zu müssen. Ich denke aber, das ist ein Thema, mit dem wir alle zu kämpfen haben. Durch Schönheitsideale und hohe Erwartungen an Frauen wird es uns extrem schwer gemacht, uns selbst zu lieben. Darum liegt mir das Thema so am Herzen.
Wie schafft man es, sich von dem Druck durch Social Medianicht unterkriegen zu lassen?
Mein Tipp: Steuert bewusst, was ihr konsumiert. Entfolgt Accounts, die euch unter Druck setzen oder euch schlecht fühlen lassen. So mache ich das auch.
Gab es in deiner Karriere auch mal Zweifel oder Misserfolge?
Ja, definitiv. In den vergangenen 15 Jahren gab es für mich viele Aufs und Abs. Die Plattformen verändern sich ständig und es kommen immer neue Menschen dazu. Mal sinken die Story-Views auf einen Schlag und man denkt sich „Oh nein, bin ich irrelevant geworden?“ Aber in der nächsten Woche ist alles wieder beim Alten. Ich habe gelernt, mich davon nicht verrückt machen zu lassen
Paarspektiven
Kann man mit dem anderen Geschlecht befreundet sein? Was tun, wenn man nicht aufhört, seine erste Liebe zu vermissen? Und wie ehrlich sollten wir wirklich miteinander sein? Im gemeinsamen Podcast besprechen Ischtar und Ehemann Tommy Themen, die ihre Follower beschäftigen.
Was würdest du Jugendlichen raten, die selbst Influencer werden wollen?
Die Branche verstehen, Trends beobachten und regelmäßig posten. Erfolg kommt selten sofort, daher muss man gerade am Anfang kontinuierlich dranbleiben und sich nicht zu sehr von Zahlen beeinflussen lassen. Manchmal braucht das Ganze Zeit oder ein bestimmtes Video, das viral geht. Ich finde es besonders wichtig, dabei authentisch zu bleiben. Die Menschen wollen keine perfekte Influencerin sehen, sondern einen Menschen, mit dem sie sich identifizieren können. Außerdem würde ich allen empfehlen, klare Grenzen zwischen ihrem Privatleben und der Öffentlichkeit zu ziehen.
Hast du Tipps für erste Kooperationen?
Ja. Man sollte sowohl Agenturen als auch Marken, von denen man Anfragen bekommt, genau prüfen. Es ist wichtig, ausreichend zu recherchieren, ob sie seriös sind und Produkte lange genug zu testen, bevor man sie empfiehlt. Außerdem muss man den eigenen Wert kennen und darunter darf man sich nicht verkaufen.
Antworten auf Fragen, die sonst niemand stellt
Meine liebste Klassenfahrt... war die Studienfahrt nach Griechenland – cooler Trip mit neuen Leuten.
Mein Lieblingsfach... war Kunst und in der Oberstufe tatsächlich Mathe.
Ein perfekter Sonntag... startet mit Ausschlafen. Danach zum Sport und dann der traditionelle Sunday Brunch mit meinem Mann plus Lieblingsserie.
Als letztes auf Instagram abonniert habe ich... Pamela Anderson. Wegen ihrem natürlichen Look und ihrer tollen Ausstrahlung.
Mein liebster Podcast... ist je nach Laune „MORD AUF EX“ oder „Zwei Dreissiger“.
Mein perfektes Outfit... ist auf jeden Fall gemütlich: Sneaker, eine weit sitzende Jeans, die nicht drückt, ein Tanktop, das richtig sitzt und ein guter BH. Seitdem ich meine Naturlocken trage, habe ich das Gefühl: Weniger ist mehr.
Ihrem großen Vorbild, der rasenden Reporterin Karla Kolumna, eiferte Juli bereits als Kind nach. Sie schrieb erste eigene Geschichten und beteiligte sich an der Schülerzeitung. Während ihres Studiums probierte sie sich in verschiedenen Mediengattungen aus.