„Im Ausland wurde mein Traum wahr.“
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Carmen Nicoli (27) hat in den Niederlanden ihren Bachelor in Psychologie gemacht und studiert nun im Master an der Universität Zürich. Sie erzählt, warum sie sich für diese zwei Länder entschieden hat, wie die Bewerbungsverfahren waren und wie sie ganz schnell Freunde gefunden hat.
Ein Artikel von Sarah Nicoli
Carmen, du machst gerade deinen Master in Psychologie an der Universität Zürich. Davor hast du drei Jahre in den Niederlanden studiert. Wie bist du ausgerechnet dort gelandet?
Ich wollte schon immer Psychologie studieren. Leider war der N.c. dafür in Deutschland zu hoch, also habe ich mit Jura angefangen. Das hat mich auch interessiert, doch schnell war klar, dass mein Herz für die Psychologie schlägt. Also suchte ich – parallel zum Studium an der LMU München – nach Alternativen.
Und fandest sie in Holland.
Genau. Als ich auf die Uni Tilburg gestoßen bin, habe ich meine Bewerbung dort eingereicht und wenige Monate später die Zusage erhalten. Da ich die Stadt davor nicht kannte, war es eine Reise ins Ungewisse. Aber ich wollte unbedingt Psychologie studieren, also habe ich meine Taschen gepackt.
Mittlerweile bin ich mit dem Bachelor fertig. Den Master wollte ich in einem deutschsprachigen Land machen, damit ich die Fachbegriffe nicht nur auf Englisch kann – so kam ich auf die Schweiz.
Wie hat sich das angefühlt, als du die Zusage für die Niederlande im Briefkasten hattest?
Erst habe ich es gar nicht realisiert, dann kam die Freude: Ich habe richtig auf den Studienbeginn hingefiebert. Ich musste ja noch sechs Monate warten, bis es losging. Also habe ich gearbeitet, Geld angespart und ein Wohnheim gesucht. Natürlich habe ich mich auch gefragt, ob es mir im Ausland gefallen wird. Aber ich war mir sicher: Ich werde schon in die neue Situation hineinwachsen.
Wie läuft das Bewerbungsverfahren an niederländischen Unis?
Das variiert von Uni zu Uni, war aber unkompliziert. In Tilburg musste ich nur meinen Lebenslauf, das Abiturzeugnis und einen Sprachnachweis für Englisch einreichen. Einen Nachweis für Mathe brauchst du auch, aber den hatte ich mit dem Mathe-Abi automatisch. Meiner Erfahrung nach bekommen in Holland viele Studierende die Möglichkeit, sich in ihr Wunschstudium einzuschreiben. Allein in meinem Jahrgang waren wir etwa 500 Leute, die aus dem Ausland nach Tilburg kamen.
Wie waren deine ersten Wochen in den Niederlanden?
Ich war positiv überrascht, wie offen die Leute dort zu uns International Students waren. Die niederländischen Unis engagieren sich sehr, dass Neulinge gut ankommen. Zur Einführung gibt es die sogenannte Top-Week mit einem Sporttag, Grill- und Kinoabenden. Auch während der Vorlesungen gab es viele Gruppenarbeiten, bei denen wir uns vernetzt haben. Nach kurzer Zeit hatte ich Freunde an der Uni, im Wohnheim und beim Sport.
Wie ist das, wenn so viele Kulturen und Sprachen aufeinandertreffen?
Ich fand den Austausch spannend. Gleichzeitig ist es aber auch herausfordernd. Am größten waren die Unterschiede im Wohnheim. Dort hatte ich Mitbewohner:innen aus Kolumbien, China, Taiwan und Aruba. Beim Putzen hatte jede:r seine eigene Vorstellung davon, was sauber ist. Und ich war die typisch Deutsche, die es ordentlich haben wollte. Mein chinesischer Mitbewohner hat auf meine Bitten zwar immer freundlich reagiert, aber nichts geändert.
Und was war das Beste am Studium in Tilburg?
Eigentlich alles! Die Niederländer:innen feiern oft und gern, zum Beispiel den Koningsdag. An Karneval findet man dort die buntesten Umzüge, und für Studierende gibt es den Biercantus, eine Art Oktoberfest. Zudem ist Tilburg super gelegen: Ich war in Antwerpen, London, Amsterdam und am Meer.
Mittlerweile bist du in Zürich. Wie gefällt es dir dort im Vergleich zum Bachelorstudium in den Niederlanden?
Sehr gut, aber es gibt schon Unterschiede. Beruflich habe ich in der Schweiz bessere Perspektiven, allein dadurch, dass ich keine Sprachbarriere habe. Außerdem lässt mir das Studium Zeit für Praktika und Nebenjobs. Ich arbeite als Testologin in einem Berufsinformationszentrum. Dafür war es schwieriger, Anschluss zu finden. Das liegt vor allem daran, dass sich die anderen aus dem Bachelorstudium kannten.
Die Schweiz ist kein EU-Land. Hast du das auch im Bewerbungsprozess gemerkt?
Das Verfahren war aufwendig, aber nicht, weil die Schweiz kein EU-Land ist. Deutschland hat ähnliche Anforderungen an einen Master-Platz. Eine Besonderheit in der Schweiz ist, dass du eine Studienplatzzusage aus dem Land vorweisen musst, in dem du den Bachelor gemacht hast, um zu beweisen, dass du freiwillig lieber in der Schweiz studieren möchtest. Zusätzlich war die Einreise kompliziert: Ich musste für meine Aufenthaltsbewilligung einen Ausländerausweis beantragen und einen Nachweis über die Krankenversicherung einreichen. Aber das ist machbar, wenn man sich gut informiert und Vorlauf einplant.
Die Schweiz ist aber teurer als Deutschland ...
Das stimmt. Viele sind auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Ich bin dankbar, dass das bei mir klappt. Wer arbeiten will, findet schnell einen Job – das Angebot ist groß. Man darf aber außerhalb der Ferien nicht mehr als 15 Wochenstunden arbeiten. Das Tolle ist, dass man hier auch mehr verdient.
Was würdest du anderen raten, die auch ins Ausland wollen?
Gelassen bleiben. Man stresst sich oft zu schnell und geht bei Problemen vom Schlimmsten aus. Dabei kannst du jetzt noch nicht ahnen, wo du in einem Jahr stehen wirst. Auch wenn du Heimweh hast – vertrau darauf, dass am Ende alles klappt. Es fühlt sich nicht immer danach an, aber: Das wird gut gehen!